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Behzad Karim Khani: Als wir Schwäne waren (Hanser Berlin, 2024)

Worum geht’s?

Der autofiktionale Roman beginnt mit einem Brief des erwachsenen Protagonisten an seinen Sohn, «damit du verstehst, wie alles angefangen hat».

 

Die dreiköpfige Familie flieht in den 1990er-Jahren nach Deutschland und findet in einer nicht gerade bevorzugten Gegend eine Wohnung. Da die iranischen Studienabschlüsse der Eltern in Deutschland nicht anerkannt werden, beschliessen sie, dass mindestens einer von beiden Geld verdienen muss. Der Vater fährt Taxi, damit die Mutter das Soziologie-Studium in Deutschland nachholen kann. Während des Wartens im Taxi liest er alle Bücher, die sie fürs Studium braucht. Der Sohn lernt schnell Deutsch und versucht, sich zu integrieren. Obwohl er gut erzogen ist, wird er als Teenager gewalttätig. Wie kann es dazu kommen?

 

Der Autor beschreibt in diesem schmalen, zarten Buch die gesellschaftliche Situation geflüchteter Jugendlicher im Deutschland der 1990-er Jahre in einem Stil, der einen sofort fesselt.

 

Was mir am Buch besonders gefällt

Obwohl im Roman Gewalt eine grosse Rolle spielt, bleibt bei mir vor allem die poetische Sprache hängen. Der Stil saugt einen sofort rein, die Sprache ist klar, poetisch und musikalisch. Der Autor schreibt in kurzen, schlaglichtartigen Szenen, in die man direkt eintaucht.

 

Als Leserin kann man gut nachvollziehen, wie der Junge nach Demütigungen und Erfahrungen der Hilflosigkeit keinen anderen Ausweg sieht als Gewalt, um sich Respekt zu verschaffen. Das Buch berührt, weil es beschreibt, wie junge Männer aus fremden Ländern zu Gewalttätern werden, wenn sie falsch eingeschätzt werden. Der Protagonist ist gut erzogen, wird unfair behandelt, provoziert, seine Eltern werden gedemütigt. Zum Verlust der Sprache kommt der Statusverlust. Das rechtfertigt nichts, erklärt aber vieles. So schön hat schon lange niemand mehr über Themen wie Stolz, Würde, Selbstachtung, Hass, Zorn, Schweigen und Angst geschrieben.

 

Der Titel bezieht sich auf ein Gespräch zwischen Vater und Sohn, die darüber rätseln, warum die Schwäne im Iran Zugvögel sind, in Deutschland aber das ganze Jahr über bleiben. Die Erklärung des Vaters: In Deutschland geht es den Schwänen zu gut, sie werden faul und verlernen das Fliegen.

 

Originalton aus dem Buch

Deutschland ist ein Land, in dem der Satz «Du bist Gast» eine Drohung ist.

 

 

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