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Nava Ebrahimi: Das Paradies meines Nachbarn (btb, 2020)

Worum geht’s?

Ali Najjar stammt aus Teheran, war Kindersoldat im ersten Golfkrieg und kam als Jugendlicher allein nach Deutschland. Jetzt ist er Produktdesigner, macht rücksichtslos Karriere und glaubt, seine Vergangenheit weit hinter sich gelassen zu haben. Sina Khoshbin ist Halbiraner und in einer beruflichen Sinn- und privaten Ehekrise.

 

Und dann ist da noch Ali-Reza, der Ali Najjars Mutter kennt und Ali Najjar erzählen möchte, was er im Krieg erlebt hat. Er bestellt ihn in ein Hotel in Dubai, um ihm einen Brief von der Mutter zu übergeben. Ali Najjar aber scheut die Begegnung und schiebt Sina vor. Dass er dafür einen guten Grund hat und wie das Schicksal der beiden Männer zusammenhängt, wird gegen Ende des Buches klar.

 

Dies ist aber auch ein Buch über die Ehe zwischen Sina und Katharina. Er, der Halbperser und Designer mit den schönen Locken, und sie, aus gutem Haus, grosszügig, frei von Vorurteilen. Kann das funktionieren?

 

Was mir am Buch besonders gefällt

Die Autorin beschreibt die glatte Hipster-Welt eines Münchner Designstudios und kontrastiert sie mit der brutalen Geschichte der Länder rund um den Persischen Golf, ohne in Klischees zu verfallen. Das Buch setzt verschiedene Stilmittel ein. Wir erfahren die Geschichte von Sina, Ali Najjar und Ali-Reza, zwischendurch lesen wir die Gedanken eines der Protagonisten, kenntlich gemacht durch Kursivdruck, und dann haben wir bei Dialogen teilweise auch nur die eine Hälfte einer Konversation, was mich zuerst ein bisschen irritiert hat, das ich aber dann erfrischend fand, zumal man sich die andere Hälfte ja wirklich denken kann.

 

Einzelne Sätze musste ich zwei-, dreimal lesen, weil sie so schön sind. «Ich ziehe mir die Schuld an wie eine zweite Haut. Und freue mich, dass ich am Leben bin.» So poetisch und traurig schreibt Nava Ebrahimi über das Thema Schuldgefühle.

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